Die nordrhein-westfälische Praxis der Nachversicherung von Beamten, die auf eigenen Antrag aus dem Dienst ausgeschieden sind, um in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Arbeitnehmer tätig zu sein, ist unvereinbar mit dem Europarecht. Sie stellt eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer dar. Entsprechend ist der erlittene finanzielle Nachteil vom Land Nordrhein-Westfalen auszugleichen. Dies hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 26. Februar 2018, das den Beteiligten heute zugestellt wurde, entschieden.

Hintergrund ist die Klage eines ehemaligen Lehrers, der von 1980 bis 1999 in Nordrhein-Westfalen - zuletzt als Oberstudienrat - tätig war. Zum 1. September 1999 nahm er eine Tätigkeit als Lehrer in Österreich auf, die er bis zum Erreichen seines Rentenalters ausübte. Infolge des Wechsels nach Österreich musste er auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden. Nach seinem Eintritt in den Altersruhestand erhält er keine beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge nach nordrhein-westfälischem Recht. Stattdessen ist er seinerzeit gemäß § 8 des Sozialgesetzbuchs - Sechstes Buch - (SGB VI) bei der Deutschen Rentenversicherung nachversichert worden. Anders als Lehrer, die vom Land im Angestelltenverhältnis beschäftigt werden, konnte er mit der Nachversicherung keine Versorgungsansprüche bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) erwerben. Nach Erreichen der Altersgrenze erhält er - neben seinen in Österreich erworbenen Pensionsansprüchen - eine monatliche Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung in Höhe von knapp über 1.050 Euro für seine Tätigkeit in Deutschland. Würden ihm für seine Tätigkeit als beamteter Lehrer in Nordrhein-Westfalen Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gewährt, fielen diese höher aus.

Die 23. Kammer des Verwaltungsgerichts sah in der Praxis der Nachversicherung einen mit Europarecht nicht zu vereinbarenden Eingriff in die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Sie legte daher mit Beschluss vom 16. April 2015 dem Europäischen Gerichtshof entsprechende Fragen vor (Pressemitteilung vom 20. April 2015).
Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 13. Juli 2016 (C-187/15) festgestellt, dass diese nordrhein-westfälische Praxis eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit bedeutet (http://curia.europa.eu/juris/). externer Link, öffnet neues Browserfenster / neuen Browser-Tab

Nunmehr hat die 23. Kammer des Gerichts das Land Nordrhein-Westfalen verpflichtet, dem ehemaligen Lehrer antragsgemäß einen Ausgleichsbetrag für den Verlust der Altersversorgung infolge seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zuzuerkennen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass das System der Nachversicherung aufgrund der geringeren Altersversorgung einen Eingriff in Art. 45 AEUV darstelle. Durch die geringere Altersversorgung könnten sich Beamte aus Nordrhein-Westfalen gehindert sehen, eine andere Tätigkeit innerhalb der Europäischen Union aufzunehmen. Das Land müsse dem früheren Beamten einen Ausgleichsbetrag gewähren. Dabei sei er so zu stellen, als wären ihm die bisher im Beamtenverhältnis erdienten Anwartschaften auf ein Ruhegehalt erhalten geblieben. Hinzuzurechnen seien entsprechende Vordienstzeiten aufgrund des Studiums. Die Höhe des Betrages werde das Land festzusetzen haben.

Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster möglich.

Aktenzeichen: 23 K 6871/13