Jahrespressemitteilung

1.    Asylverfahren: Rekordniveau bei den Eingängen

Im Jahr 2016 ist die Zahl der Asylverfahren am Verwaltungsgericht Düsseldorf drastisch angestiegen. Nachdem sich die Eingänge im Asylrecht bereits seit 2009 vervielfacht und allein im Jahr 2015 auf 5.689 Verfahren erhöht hatten, ist im Jahr 2016 ein vorläufiger Höchststand erreicht worden: 13.692 Verfahrenseingänge (10.900 Klageverfahren und 2.792 Eilsachen) bedeuten eine Steigerung um 140 % gegenüber 2015. Nahezu 2/3 (65 %) aller rund 21.000 Ver­fahrenseingänge waren Asylverfahren. Mit Blick auf die enorm hohen Eingangszahlen im ersten Quartal des laufenden Jahres (mehr als 5.000 Asyleingänge) zeichnet sich für 2017 eine weitere Verschärfung der Eingangssituation ab, insbesondere weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die seit der Öffnung der Grenzen Anfang September 2015 gestellten Anträge von bundesweit mehr als 745.000 Personen weiter abarbeitet.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat sich auf diese Herausforderungen eingestellt. Im Jahr 2016 sind dem Gericht sechs Richterstellen und neun befristete Stellen für Servicekräfte zugewiesen worden. In diesem und im nächsten Jahr sollten zudem acht Richterinnen und Richter aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Verwaltungsrichter bei der Abarbeitung der Asylverfahren unterstützen; zwei Richterinnen sind bereits seit Anfang Februar 2017 an das Verwaltungsgericht abgeordnet; ein weiterer Richter wird Mitte des Jahres folgen. Es ist zu hoffen, dass sich weitere Kollegen aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit finden werden. Die Verfahrensflut bringt eine außerordentliche Belastung aller Angehörigen des Gerichts mit sich. Sie zu bewältigen, wäre ohne die engagierte Mitarbeit der nichtrichterlichen Beschäftigten nicht möglich. Auf die neuen Servicekräfte, die bislang nur befristete Verträge erhalten haben, ist das Gericht zum Abbau der anhängigen und weiter anwachsenden Verfahren unbedingt angewiesen. Darüber hinaus reagiert das Gericht mit organisatorischen Maßnahmen flexibel auf den massiven Verfahrensanstieg. Für die eingangsstärksten Herkunftsländer sind nun erheblich mehr Richter als noch zu Beginn des Jahres 2016 zuständig; so bearbeiten inzwischen acht Kammern die exorbitant angestiegenen Klagen syrischer Asylbewerber statt einer Kammer Anfang 2016. Deshalb ist es bislang gelungen, die Verfahren in kürzester Zeit zu erledigen. Von den im Jahr 2016 eingegangenen 10.900 Asyl-Klageverfahren sind nahezu 60 %, nämlich 6.427 Verfahren, erledigt. Im Bereich des Eilrechtsschutzes sind von 2.792 Eingängen sogar 2.744 Verfahren (98 %) erledigt (Stand: 26.3.2017). Das ist dem überobligatorischen Arbeitseinsatz aller Gerichtsangehörigen zu verdanken. Bei der weiter deutlich zunehmenden Belastung durch die Asylverfahren muss jedoch damit gerechnet werden, dass die Laufzeiten insbesondere der klassischen Verwaltungsstreitverfahren anwachsen werden.

Eingänge Asylverfahren insgesamt

 

Eilverfahren

Klageverfahren

Summe

Prozentuale Veränderung

zum Vorjahr

2012

926

1628

2554

+   71,64 %

2013

1063

1902

2965

+   16,09 %

2014

1699

2526

4225

+   42,50 %

2015

2488

3201

5689

+   34,65 %

2016

2792

10900

13692

+  140,67 %

 

In den vergangenen Jahren ist die Mehrzahl der Klagen und Eilanträge von Staatsangehörigen aus den Ländern des Westbalkans (ehemaliges Jugoslawien und Albanien) erhoben worden. Deren Gesamtzahl war mit 3.606 Eingängen (1.926 Klagen und 1.680 Eilanträgen) auch in 2016 hoch, so dass sich weiterhin mehr als 40 Richterinnen und Richter neben ihren übrigen Rechtsprechungsaufgaben mit diesen Verfahren befasst haben, die – von vereinzelten Ausnahmefällen abgesehen – praktisch durchweg erfolglos geblieben sind. Allerdings sind die mit Abstand meisten Rechtsuchenden im Jahr 2016 aus Syrien gekommen: Insgesamt 5.566 Rechtsschutzersuchen (5.428 Klagen und 138 Eilanträge) haben das Gericht erreicht. 2.439 Klagen waren – insbesondere im ersten Halbjahr – sog. Untätigkeitsklagen, die auf die Überlastung des BAMF zurückzuführen waren. Zur Unterstützung des BAMF hat das Gericht nach einigen Wochen seine Praxis umgestellt und im Einverständnis der Kläger keine Klagen mehr aufgenommen, sondern Schreiben an das BAMF aufgesetzt mit der Bitte um Gewährung eines Termins zur Antragstellung bzw. Anhörung. Mit der Zunahme der Anhörungen und Entscheidungen des BAMF sind diese Verfahrenseingänge deutlich rückläufig; in der zweiten Jahreshälfte sind vornehmlich sog. Verbesserungsklagen durch syrische Staatsangehörige erhoben worden. Mit diesen Rechtsbehelfen versuchen die Kläger eine Verbesserung ihres Schutzstatus zu erreichen. Das BAMF gewährt ihnen vielfach den subsidiären Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge, während sie vor Gericht den weitergehenden Flüchtlingsstatus begehren. Vor einer Kammer des Gerichts hatten sie zunächst Erfolg. Andere Kammern bestätigten die Entscheidungen des BAMF, Asylbewerbern (allein) wegen ihrer illegalen Ausreise aus Syrien, ihres Asylantrages und Aufenthaltes in Deutschland zwar den subsidiären Schutz, nicht aber die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, und wiesen die Verbesserungsklagen ab. Nachdem auch das Oberverwaltungsgericht NRW mit Grundsatzurteil vom 21. Februar 2017 eine solche Klage abgewiesen hat (Az. 14 A 2316/16.A), wird dies mutmaßlich auch die Spruchpraxis weiterer Kammern des Verwaltungsgerichts Düsseldorf beeinflussen. Abzuwarten bleibt, wie sich im Laufe dieses Jahres die Rechtsprechung zu solchen Klägern entwickeln wird, die geltend machen, auch aus anderen Gründen aus Syrien geflohen zu sein, etwa wegen einer (drohenden) Einberufung zum Militärdienst. Insoweit ist die bisherige Praxis der Kammern, soweit sie überhaupt schon eine solche Fallkonstellation entschieden haben, uneinheitlich.

Wie der nachfolgenden Übersicht entnommen werden kann, waren im Jahr 2016 weitere Hauptherkunftsländer Irak, Afghanistan, Libanon, Iran, Eritrea sowie die Maghrebstaaten Marokko und Algerien.

 

Insgesamt hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf im Jahr 2016 9.090 Asylverfahren (6.500 Klageverfahren und 2.590 Eilverfahren) erledigt.

Erledigungen Klageverfahren Asylrecht

Stattgabe

271

4,2 %

 

teilweise Stattgabe/teilweise Abweisung

137

2,1 %

 

Abweisung

1783

27,4 %

 

auf andere Weise erledigt (z.B. Zurücknahme, Vergleich)

4309

66,2 %

 

 

Erledigungen Eilverfahren Asylrecht

Stattgabe

243

9,4 %

 

teilweise Stattgabe/teilweise Ablehnung

22

0,8 %

 

Ablehnung

2087

80,6 %

 

auf andere Weise erledigt (z.B. Zurücknahme)

238

9,2 %

 

 

Von den im Jahr 2016 erledigten Klageverfahren waren anhängig:

bis einschließlich 3 Monate

3233

49,7 %

mehr als 3 bis einschließlich 6 Monate

1981

30,5 %

mehr als 6 bis einschließlich 12 Monate

1118

17,2 %

mehr als 12 bis einschließlich 18 Monate

120

1,8 %

mehr als 18 bis einschließlich 24 Monate

39

0,6 %

mehr als 24 bis einschließlich 36 Monate

9

0,1 %

mehr als 36 Monate

-

-

 

Von den im Jahr 2016 erledigten Eilverfahren waren anhängig:

bis einschließlich 3 Monate

2510

96,9 %

mehr als 3 bis einschließlich 6 Monate

66

2,5 %

mehr als 6 bis einschließlich 12 Monate

14

0,5 %

mehr als 12 bis einschließlich 18 Monate

-

-

mehr als 18 bis einschließlich 24 Monate

-

-

mehr als 24 bis einschließlich 36 Monate

-

-

mehr als 36 Monate

-

-

 

2.    Leistungsbilanz im Geschäftsjahr 2016

Die Gesamtzahl der Eingänge beim Verwaltungsgericht Düsseldorf hat sich im Geschäftsjahr 2016 signifikant, nämlich auf nahezu 21.000 Verfahren, erhöht. Das bedeutet einen Anstieg um mehr als 53 % gegenüber 2015. Auch die Erledigungszahlen konnten um ca. 20 % gesteigert werden. Insgesamt wurden 16.835 Verfahren abgeschlossen.

 

 

Gesamteingänge

Prozentuale Veränderung zum Vorjahr

2012

12391

+ 14,93 %

2013

14212

+ 14,70 %

2014

12562

-  11,61 %

2015

13671

+   8,82 %

2016

20980

+ 53,46 %

 

 

Gesamterledigungen

Prozentuale Veränderung zum Vorjahr

2012

12249

+ 4,05 %

2013

14354

+ 17,19 %

2014

11989

-  16,48 %

2015

14069

+  17,34 %

2016

16835

+ 19,66 %

 

Trotz der außergewöhnlichen Belastung des Gerichts konnte die durchschnittliche Verfahrensdauer dank des unermüdlichen Einsatzes der nichtrichterlichen wie der richterlichen Kollegen gering gehalten, im Bereich der Klageverfahren sogar verkürzt werden: Die durchschnittliche Dauer der Klageverfahren beträgt lediglich ca. sechs Monate, die der Eilverfahren nur wenige Wochen.

Durchschnittliche Dauer der erledigten Verfahren

 

 

 

 

 

2013

2014

2015

2016

Klageverfahren

6,0 Monate

7,1 Monate

7,0 Monate

6,2 Monate

durch Urteil erledigte

Klageverfahren

8,8 Monate

9,2 Monate

8,9 Monate

8,6 Monate

Eil- und NC-Verfahren

1,4 Monate

1,3 Monate

1,3 Monate

1,3 Monate

3.    Aktuelle Gerichtsverfahren

Wenn auch die Arbeit am Verwaltungsgericht Düsseldorf immer stärker durch die Folgen der Migrationswelle geprägt wird, versuchen die Richter, auch den übrigen Verfahren aus den unterschiedlichsten Rechtsgebieten gerecht zu werden. 2016 standen zahlreiche Gerichtsentscheidungen im Fokus öffentlicher Wahrnehmung, von denen beispielhaft das Urteil zur Änderung des Luftreinhalteplanes für die Landeshauptstadt Düsseldorf sowie die Entscheidungen zur Verfassungswidrigkeit der nordrhein-westfälischen Neuregelung der Frauenförderung und zur Rechtswidrigkeit sonntäglicher Ladenöffnungen in diversen Städten genannt seien. Neben solchen öffentlichkeitswirksamen Verfahren befassen sich die Richter tagtäglich aber auch mit zahlreichen anderen Anliegen der Bürger, etwa Fragen der Zulässigkeit von Bauvorhaben sowie der Rechtmäßigkeit von Kita-Beiträgen oder Müllgebühren. Das Gericht wird vielfach angerufen, um die Aufnahme an Schulen oder Hochschulen zu erwirken, aber auch zur Prüfung von Gewerbeuntersagungen oder Fahrerlaubnisentziehungen. Verfahren von öffentlichem Interesse, in denen Entscheidungen in jüngster Zeit getroffen wurden oder im laufenden Jahr anstehen, sind namentlich folgende:

Ladenöffnung an Sonntagen

Das Verwaltungsgericht ist zunehmend mit Verfahren befasst, die die Gewerkschaft ver.di gegen die Ladenöffnung an Sonntagen in den Städten und Gemeinden des Gerichtsbezirks anstrengt. Im Wege einstweiliger Anordnungen hat die 3. Kammer bereits festgestellt, die Durchführung verkaufsoffener Sonntage anlässlich verschiedener Veranstaltungen in Wuppertal (Az.: 3 L 3605/16 und 3 L 3619/16), in Solingen (Az.: 3 L 3711/16), in Remscheid (Az.: 3 L 3717/16, 3 L 3721/16 und 3 L 684/17), in Oberhausen (Az.: 3 L 4339/16), in Mülheim/Ruhr (Az.: 3 L 55/17) und in Düsseldorf (3 L 933/17) sei rechtswidrig. Dabei kam es jeweils darauf an, ob ein genügender Anlass für verkaufsoffene Sonntage besteht. Nach den Vorgaben des Ladenöffnungsgesetzes NRW dürfen verkaufsoffene Sonntage nur durchgeführt werden, wenn die geplanten Ladenöffnungen gegenüber den anlassgebenden Veranstaltungen eine lediglich untergeordnete Bedeutung haben. Mit weiteren Entscheidungen des Verwaltungsgerichts auch in den noch anhängigen Klageverfahren ist im Laufe des Jahres zu rechnen.

 

Zwist bergischer Städte um Outletcenter

Die benachbarten Städte Wuppertal und Remscheid streiten über die baurechtliche Zulässigkeit zweier Outletcenter. Sowohl die Stadt Wuppertal als auch die Stadt Remscheid planen jeweils die Errichtung eines solchen Outletcenters mit mehreren tausend Quadratmetern Verkaufsfläche auf ihrem Gemeindegebiet. Während Remscheid derzeit die baurechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen eines Designer-Outletcenters im Stadtteil Lennep schafft, hat Wuppertal bereits Baugenehmigungen erteilt für die Einrichtung eines Factory-Outletcenters auf dem Gelände der ehemaligen Bundesbahndirektion in Elberfeld. Dieser Sachverhalt liegt den Klagen beider Städte gegeneinander zugrunde, mit denen die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts befasst ist (Az.: 11 K 8650/15, 11 K 7850/16 und 11 K 870/17). Beide Städte machen im Wesentlichen geltend, die jeweils andere Gemeinde habe ihre Planung nicht ausreichend mit der Nachbargemeinde abgestimmt und verletze deren Interessen. Dabei verweisen beide Städte unter anderem auf zu erwartende Kaufkraftumverteilungen, die das jeweilige Outletcenter auf dem Gebiet der Nachbargemeinde auslöse. Das Gericht entscheidet über die Klagen voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2017.

 

Wohnsitzregelungen für anerkannte Flüchtlinge

Durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 ist in das Aufenthaltsgesetz eine Vorschrift eingefügt worden, die Wohnsitzregelungen für anerkannte Flüchtlinge und andere Schutzberechtigte enthält. In Anbetracht der seit 2015 massiv verstärkten Zuwanderung von Ausländern, denen in Deutschland Schutz und ein Aufenthaltsrecht gewährt wird, hielt der Gesetzgeber eine verbesserte Steuerung der Wohnsitznahme von Schutzberechtigten für erforderlich, um „integrationshemmende Segregation“ zu vermeiden (so die Gesetzesbegründung). So kann nach § 12a Abs. 2 AufenthG ein schutzberechtigter Ausländer, der in einer Aufnahmeeinrichtung oder anderen vorübergehenden Unterkunft wohnt, zu seiner Versorgung mit angemessenem Wohnraum verpflichtet werden, seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen, wenn dies nicht integrationshemmende Wirkung hat. Umgekehrt eröffnet § 12a Abs. 4 AufenthG die Möglichkeit, einem Schutzberechtigten zur Vermeidung von sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung zu verbieten, seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen, insbesondere wenn zu erwarten ist, dass der Ausländer Deutsch dort nicht als wesentliche Verkehrssprache nutzen wird (Gefahr der Ghetto-Bildung). Das Land Nordrhein-Westfalen hat im November 2016 zur Konkretisierung und Umsetzung dieser Regelungen eine Rechtsverordnung geschaffen, in der die Bezirksregierung Arnsberg zur zuständigen Behörde für den Erlass entsprechender Wohnsitzzuweisungsbescheide bestimmt worden ist. Seitdem sind beim Verwaltungsgericht Düsseldorf etwa 90 Klagen gegen solche Bescheide eingegangen; mit weiteren Verfahren ist zu rechnen. Erste Entscheidungen sind in diesem Jahr zu erwarten.

 

4.    Durchschnittlich 325 Besucher pro Tag beim Internetauftritt des Gerichts

Die Zahl der Besucher beim Internetauftritt des Gerichts ist im Verhältnis zum Vorjahr 2015 um ca. 19 % angestiegen. Im Jahresschnitt greifen an einem Tag ca. 325 Besucher auf die Seiten des Gerichts zu.

 

 

Jahr

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

Besucher

61.089

82.120

88.991

81.219

73.928

86.987

127.143

99.684

118.800

besucher